"An dem Bläsertisch fertigt der hausindustrielle Bläser aus Glasröhren und Quecksilber das sogenannte rohgeblasene Fieberthermometer an. So einfach und primitiv aber auch die Hilfsmittel sind, so kompliziert ist das Herstellungsverfahren und so zahlreich sind die Manipulationen, die vom Bläser vorgenommen werden müssen, ehe das rohgeblasene Fieberthermometer fertig ist." 

Dr. Karl Lindemeyer, Diplomvolkswirt, 1927

 

Heimarbeit

Da die Technologie der Produktion von Thermometern, insbesondere Fieberthermometern, über lange Zeit im Wesentlichen konstant blieb und große Stückzahlen von ein und demselben Produkt gefertigt wurden, war die Thermometerherstellung ideal als Heimarbeit geeignet. Die geringen Anschaffungskosten für die erforderlichen Produktionsmittel und der begrenzte Materialaufwand ermöglichten auch armen Haushalten den Aufbau einer selbständigen Existenz. Grundvoraussetzung waren aber die entsprechenden Fachkenntnisse und die Fähigkeit zu einer sorgfältigen Arbeitsweise. Die Selbständigkeit brachte wirtschaftliche Risiken mit sich, bewahrte aber den Handwerker auch eine eigenverantwortliche Zeiteinteilung, die das Betreiben einer Nebenerwerbslandwirtschaft ermöglichte.

 

Die Werkstatt

Im Gegensatz zu vielen anderen Heimarbeitsberufen arbeiteten die Thermometerbläser nicht in der häuslichen Küche sondern in kleinen, separaten Werkstätten. Dies lag an der Kenntnis über die Gefahr, die von den giftigen Quecksilberdämpfen ausging, denen man die Familie nicht aussetzen wollte. Auch waren weniger als in anderen Berufen die Familien in die Arbeit einbezogen. Leicht erlernbare Hilfsarbeiten gab es im Prozess der Entstehung eines Thermometers nicht. Lediglich bei der Beschriftung und Verpackung konnten die Frauen und Kinder Hand anlegen. Häufig beteiligte sich die Frau des Hausindustriellen  mit Nebenerwerbslandwirtschaft oder leichtem Handwerk (hier häufig Blumenstäbe) an der Absicherung des Lebensunterhaltes.

 

Vertrieb und Absatz

Der Vertrieb der Fieberthermometer war eine Aufgabe, die von den Herstellern nicht zu meistern war. Deshalb wurden durch die Glasinstrumentenfabriken Vertriebswege aufgebaut. Auch gab es Verlegerfirmen, die sich ausschließlich mit dem z.T. weltweiten Handel befassten. Der Vertrieb im Inland unterschied sich von dem im Ausland erheblich. Im Inland war eine direkte Belieferung der Konsumenten nicht üblich. Apotheker, Drogisten und sonstige Spezialgeschäfte gaben ihre Bestellungen an die Geschäftreisenden oder Platzvertreter auf oder forderten die Ware entsprechend der Preislisten schriftlich an. Der Inlandsabsatz war aber gegenüber dem Thüringer Gesamtproduktionsvolumen sehr gering